Nachhaltigkeit im Curriculum – unser Maschinenbau-Studium neu denken

Hannover, 2. November 2022.

Unter diesem Motto diskutierten rund 40 Vertreterinnen und Vertreter aus Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) zwei Tage lang, wie das Thema Nachhaltigkeit in die Maschinenbau-Curricula integriert werden soll. Der Fachbereichstag Maschinenbau e.V. (FBTM e.V.) hatte zur bundesweiten Fachtagung vom 3.-4. November 2022 an die Fakultät II Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik der Hochschule Hannover eingeladen. Der FBTM e.V. ist die Vertretung der bundesweit fast 80 Maschinenbau-Fachbereiche an HAW.

„Energie- und Verkehrswende muss man nicht nur wollen, sondern auch können!“

sagt Prof. Dr.-Ing. Moniko Greif, Vorsitzende des FBTM e.V. „Wir Ingenieurinnen und Ingenieure sind die Spezialisten fürs Können!“ Als paradox empfindet es Prof. Greif, dass junge Menschen zwar einerseits die Energie- und Verkehrswende fordern, aber andererseits den Maschinenbau nicht als entscheidendes Handwerkszeug erkennen. „Jede Windkraftanlage, jede Solarzelle benötigt bei der Entwicklung und Produktion Maschinenbauerinnen und -bauer“, so Prof. Greif. „Wir integrieren Elektronik und Software in moderne Maschinenbauprodukte. Wir brauchen dazu die Kooperation mit anderen technischen Gewerken wie Elektro- und Informationstechnik.“

Lehrende wissen um ihre Verantwortung

Die Vorstellung der Ergebnisse einer Befragung der Mitgliedsfachbereiche durch Prof. Greif zeigt, dass es an vielen Hochschulen schon entsprechende Aktivitäten gibt. Dies können zusätzliche Lehrveranstaltungen, Projektarbeiten oder Forschungsarbeiten in Kooperation mit Firmen sein. Nicht wenige Hochschullehrer:innen haben sich zu diesem Thema weitergebildet, und viele haben konkrete Vorstellungen, welche Module inhaltlich überarbeitet werden sollten.

Nachhaltigkeitsaspekte schon bei Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Maschinen und Anlagen berücksichtigen

„Als Lehrende sollte es unser Anspruch sein, die zukünftigen Maschinenbauer:innen zu befähigen, Ideen und Methoden zu entwickeln, die auf die Konstruktion und Fertigung nachhaltiger und klimaneutraler Produkte abzielen“, formuliert Prof. Ulrich Eisentraut. „Rein ökonomische Kriterien müssen durch ökologische wie z.B. Ressourceneinsparung, Reparaturfreundlichkeit, Recyclingfähigkeit, Abfallvermeidung und CO2 -Neutralität ergänzt werden. Die aktuelle Absolventengeneration muss befähigt werden Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu machen.“ Er initiierte die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit des FBTM e.V., die die Tagung inhaltlich gestaltet.

Programm und Ergebnisse der Tagung:

Ziel der Aktivitäten des FBTM ist es, ähnlich wie 2020 beim Thema „Digitalisierung“ das Positionspapier zum Maschinenbau-Curriculum zu ergänzen. Dieses dient als Handreichung für die Studiendekane sowie die Fachberater der Studiengänge als auch als Maßstab für die Akkreditierung von zeitgemäßen Maschinenbau-Studiengängen.

Wie bei der Digitalisierung ist das Unterbringen der Nachhaltigkeit in unseren doch schon sehr vollen Curricula nicht trivial. Außerdem ist der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht nur in aller Munde, sondern auch hinreichend schwammig und abgegriffen.

Es wurde in World-Cafés, Workshops und einer Podiums-Diskussion sehr konkret an dem Thema gearbeitet und ein Grundsatzpapier verabschiedet (siehe Anhang).

Dr.-Ing. Thomas Flower, Dekan an der Fakultät Technik und Informatik an der HAW Hamburg hielt einen Impulsvortrag „One World Engineering – eine Fakultät definiert sich neu“.

Für die Podiumsdiskussion unter dem Motto „Nachhaltigkeit – muss das wirklich ins Maschinenbau-Curriculum?“ konnte der Organisator vor Ort, Dekan Prof. Wolfgang Stracke neben „Stakeholdern“ aus der Industrie der Region auch Studierende und einen Schüler gewinnen, um ihre Sichtweise einzubringen.

Mit den Anregungen aus diesem Input ging es in Workshops und World Cafés dann in die Details. Es wurde nicht nur über die grundsätzliche Vorgehensweise diskutiert, ob es zusätzliche Module z.B. für Kreislaufwirtschaft geben oder besser Nachhaltigkeit in alle Module integriert werden soll. Sondern die geballte Fachkompetenz wird auch in beispielhafte Modulbeschreibungen für nachhaltige Produktentwicklung und Produktion oder Energietechnik einfließen.

Die Fachtagung konnte angesichts der Komplexität keine einfachen, handgestrickten Lösungen präsentieren. Sondern die Expertinnen und Experten aus den bundesweiten Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie aus Firmen und Verbänden werden aufbauend auf einer Analyse der aktuellen Situation, Inputs von kompetenter Seite und guten Beispielen Lösungsansätze entwickeln und vertiefen, wie der Leiter der AG Nachhaltigkeit, Prof. Joachim Voßiek erklärt.

Folgende wichtigste Ergebnisse (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) seien erwähnt:

  • Der Fachbereichstag verabschiedete ein Grundsatzpapier zur Nachhaltigkeit. Darin wird auf die wichtigsten anerkannten Umweltprobleme, auf die Verantwortung der Hochschullehrer für die Vermittlung von Nachhaltigkeitswissen und auf die Notwendigkeit verwiesen, Nachhaltigkeitsthemen in den Curricula der grundständigen Maschinenbaustudiengänge zu integrieren.
  • Es wird zwingend ein Modul zur allgemeinen Hinführung und Wissensvermittlung zum Thema „Grundlagen der Nachhaltigkeit“ im 1. Semester des Curriculums empfohlen. Die Beispiel-Modulbeschreibung (eigentlich nutzbar für alle Studiengänge an deutschen Hochschulen) wird in den nächsten Monaten von einer Arbeitsgruppe erarbeitet. Es sollte definitiv als Pflichtmodul Einzug ins Curriculum finden.
  • In der Podiumsdiskussion sowie den Workshops wurde deutlich, dass das allgemeine Wissen zum Thema Nachhaltigkeit insgesamt in der Bevölkerung wenig ausgeprägt ist, was insbesondere auf die jungen Menschen zutrifft, die leider aus den schulischen Bildungseinrichtungen kaum Vorbildung dazu mitbringen. Daher sollte in einem Grundlagenmodul ein angemessener einheitlicher Wissensstand erarbeitet werden.
  • In zentrale Module soll das Thema Nachhaltigkeit implementiert werden – es wurden dazu zunächst die Themen Konstruktion/Produktentwicklung und Produktion/Fertigung lokalisiert. Der zu bearbeitende Katalog von Modulen soll erweitert werden. Es werden dazu Mustermodulbeschreibungen erarbeitet.
  • Das bedeutet, der normale Maschinenbaustudiengang (und eigentlich gilt das für alle Ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge) muss „durchdrungen“ werden vom Thema Nachhaltigkeit. Durch Wissensvermittlung sollen die Studierenden für das Thema sensibilisiert werden, damit sie in allen Abschnitten des Studium eine „Antenne“ für das Thema haben und ggf. bei den Dozenten diese Themen im einzelnen Modul abfordern können.
  • Darüber hinaus kann man mit zusätzlichen Modulen oder Spezialisierungen noch intensiver auf das Thema eingehen.

Verleihung des Deutschlandpreises 2022

Zum Abschluss der Tagung erfolgte die Verleihung der Deutschlandpreise für herausragende Abschlussarbeiten durch Prof. Morgenstern, den Leiter der AG Öffentlichkeitsarbeit. Die Preise – jeweils dotiert mit 2.000 Euro – wurden an Frau Johanna Hable von der TH Deggendorf in der Kategorie Bachelor und an Herrn Alessandro Papa von der Hochschule Karlsruhe in der Kategorie Master verliehen.

Die Themen der prämierten Arbeiten machen deutlich, dass Additive Fertigung (vulgo 3D-Druck), Simulationsmethoden und die Verknüpfung von Mechanik, Elektronik und Software längst fachlicher Standard sind und dass das „Dampfmaschinen- oder Schmieröl-Image“ des Maschinenbaus nichts mehr mit der heutigen Berufs-Wirklichkeit zu tun hat.

Fazit

Fazit der Professorinnen und Professoren zum Ende der Tagung: „Ohne ausreichende Zahl von Ingenieurinnen und Ingenieuren mit einer zeitgemäßen Qualifikation, die nicht nur Digitalisierung, sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte integriert, wird es keinen wirtschaftlichen Erfolg und keinen Umbau zu einer ökologischen Marktwirtschaft geben“, sagt die Vorsitzende des Fachbereichstags Maschinenbau, Prof. Dr.-Ing. Moniko Greif.

Kontakt:

Prof. Dr.-Ing. Moniko Greif
Vorsitzende Fachbereichstag Maschinenbau e.V. (FBTM e.V.)
c/o Hochschule RheinMain FB Ingenieurwissenschaften
www.fbt-maschinenbau.de
Moniko.Greif@hs-rm.de
Tel.: 015150740158